⁉️ | Die “richtigen” Scharia-Regeln?
Auf Unterschiede in der Aktienprüfung bin ich bereits in einem anderen Beitrag eingegangen. Wie auch dort zu Worte gebracht maße ich mir nicht an, darüber zu urteilen welches dieser Richtlinien “das Richtige” ist. In den Scharia-Boards sind etablierte Gelehrte vertreten, die sogar teilweise in mehreren Boards sitzen, deren Urteile sich ggf. in einigen Punkten unterscheidet. Daraus resultiert, dass es sogar eine Akzeptanz zwischen den Boards gibt. Vielmehr ist wichtig, dass man die Richtlinien identifiziert, die einen “am meisten” überzeugen, um an diesen strikt zu halten, ohne zu denken, dass die anderen Alternativen falsch wären. In den folgenden Abschnitten möchte ich deshalb einmal meine Entscheidung mit den Gründen dafür näher vorstellen. Ob du diese teilst oder doch einen der alternativen Methodiken verfolgen möchtest, ist dir überlassen! 😉
📍 | Passives Investieren – Fonds & ETFs
Ja, auch mit Aktien kann passiv investieren, in dem man selbst gestreut in alle Märkte investiert. Gemeint sind hierbei Finanzprodukte, bei denen kein aktives Handeln durch den Anleger notwendig sind, wie bspw. bei Fonds und ETFs. Bei solchen vorgefertigten Produkten übergebe ich persönlich die Verantwortung an das Scharia-Board, natürlich unter der Voraussetzung, dass hier seriöse und etablierte Gelehrte vertreten sind. Beispiele für diese findest du in den entsprechenden Rubriken hier auf der Webseite.
Als Privatanleger ist ein unverhältnismäßig hoher Zeitaufwand nötig, um Fonds & ETFs regelmäßig zu prüfen. ETFs können aus über tausend Postionen bestehen. Wie soll ein Privatanleger den Aufwand aufbringen können jede einzelne Position, nach jeder Veröffentlichung der Geschäftszahlen jedes einzelnen hier vertreten Unternehmens, zu prüfen? Quasi unmöglich! Und damit bleibt es auch nicht. Dann müssten auch noch für jede einzelne Position die unerlaubten Anteile an den Einnahmen ermittelt werden damit diese bereinigt werden können. Bei Scharia-geprüften ETFs und Fonds übernimmt das Scharia-Board oder der Emittent unter Beobachtung des Scharia-Boards diese Aufgabe für den Anleger. Die Anlage wird ggf. angepasst und unerlaubte Anteile werden entweder direkt vom Fonds selbst abgeführt oder dem Anleger mitgeteilt, sodass er diese einfach selbst abführen kann.
📍 | Aktives Investieren – Einzelaktien
Investiert man in Einzelaktien, so wird man, vor allem als Privatanleger, sicherlich keine tausende Einzelaktien im Portfolio haben. I. d. R. dürfte es sich hierbei um ein paar dutzend Aktien handeln. Denkbar wäre somit zunächst die Prüfung selbst. Diese ist zum einen aber auch mit hohem Aufwand verbunden, ist aber für den Durchschnittsanleger aber auch Know-How-technisch nicht durchführbar. Hierfür muss man erst einmal die Geschäftsberichte lesen und verstehen können. Und das i.d.R. bis zum kleinsten Detail damit alle unerlaubten Anteile in der festgestellt werden können. Somit wäre es sinnvoll – auch wenn die eigene Prüfung in der Theorie möglich, in der Praxis aber nicht wirklich umsetzbar – auf geprüfte Aktien zu setzen.
Somit stehen wir vor der Wahl: Entweder wir möchten der Methodik eines Scharia-Boards eines Indizes/ ETFs/ Fonds folgen und investiert in Einzelaktien, die auch in dem jeweiligen Produkt enthalten sind. Oder man zieht Dienstleister heran, die Einzelaktien prüfen. Gegen ersteres spricht einerseits, dass unerlaubte Anteile für die einzelnen Positionen nicht im einzelnen kommuniziert werden, und andererseits, dass die Aufnahme und der Ausschluss nicht nur von Scharia-Kriterien abhängt. So kann sich ein Fonds bspw. auch von einer Aktie trennen, auch wenn diese noch weiterhin die Scharia-Kriterien erfüllt. Für den Privatanleger ist der Grund des Verkaufs nicht nachvollziehbar.
Somit bleibt nur noch die Möglichkeit auf Dienstleister zu setzen, die direkt Einzelaktien prüfen. Derzeit gibt es hier zwei Anbieter: Zoya und Islamicly. Zoya prüft Aktien und listet die Ergebnisse in ihrer App nach den Richtlinien der AAOIFI. Islamicly hat eigenen Scharia-Board, in dem u. a. auch Dr. Muhammad Ali El-Gari vertreten ist, der gleichzeitig im Scharia Standards Komitee der AAOIFI sitzt. Die unterschiede der Methodiken habe ich bereits hier zusammengefasst. Ich entscheide mich hier klar für Zoya, da die AAOIFI Richtlinien die etablierteren sind, ohne mir anmaßen zu wollen, dass Dr. El-Gari bei seinen Entscheidungen falsch liegt. Außerdem stören mich folgende Punkte bei Vorgehensweise von Islamicly: Islamicly unterscheidet im Business Screening zwischen Operating und Non-Operating income. Für die 5%-Grenze für unerlaubte Anteile wird nur das operative Geschäft des Unternehmens herangezogen. Erwirtschaftet ein Unternehmen derzeit noch keine operativen Einnahmen, also keine Einnahmen aus Unternehmensaktivitäten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betriebszweck stehen, so würde diese als Scharia-konform eingestuft, unabhängig davon zu welchem Anteil das nicht operative Ergebnis unerlaubt wäre. Im Extremfall, wenn das Operating income gleich 0 ist und das Non-Operating income vollständig aus unerlaubten Praktiken stammt, muss die gesamte Dividende gespendet werden.
Da kommen wir auch direkt zu meiner zweiten Beanstandung: Bereinigt wird bei Islamicly nur die Dividende. Schüttet das Unternehmen keine Gewinne aus, wird auch nichts bereinigt. Nach der AAOIFI kommt es aber zur Bereinigung, auch wenn keine Dividende ausgeschüttet wird oder auch wenn das Ergebnis negativ ist. Die Bereinigung erfolgt auf Basis des Umsatzes pro Aktie (Umsatz des Unternehmens / Anzahl der ausgeschütteten Aktien).
Zoya mit den AAOIFI-Richtlinien ist somit “strenger” und verleitet einen durch diese Vorgehensweise den Anleger zu Aktien mit dem geringsten “Übel”. Somit dürften so gut wie alle, wenn nicht sogar alle, Scharia-konforme Aktien nach Zoya auch Scharia-konform nach Islamicly sein – aber nicht umgekehrt.
🏁 | Fazit
In einer Art Ausschlussverfahren habe ich hier versucht die optimale Vorgehensweise zu ermitteln. Das Ergebnis lautet zusammengefasst wie folgt:
Bei vorgefertigten Produkte, wie ETFs und Fonds, gebe ich die vollständige Verantwortung dem Scharia-Board über. Etwaige unerlaubte Einnahmen werden entweder direkt abgeführt oder dem Anleger mitgeteilt.
Bei Einzelaktien halte ich mich an die Zoya App, die Aktien nach den AAOIFI Richtlinien prüft.
Wahrlich, Allah (swt.) weiß es am besten!