❓ | Kann ich mir eine Art ETF selbst erstellen?
Leider gibt es, wie du auch bereits hier in Erfahrung bringen konntest, nur sehr wenige ETFs, die eine Scharia-konforme Strategie verfolgen. Die Problematik mit anderen ETFs habe ich bereits an vielen Stellen, u. a. in diesem Social Media Beitrag, erläutert. Viele unter uns haben aber nicht die Lust, Zeit oder Erfahrung, um sich jedes Mal auf die Suche nach neuen Aktien zu machen. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, sich eine Art ETF selbst zu erstellen, um diesen passiv laufen zu lassen.
In den folgenden Abschnitten möchte ich euch eine Vorgehensweise vorstellen mit der ihr einen ETF Scharia-konfrom nachbilden könnt. Dabei erläutere ich wie ihr das möglichst einfach gestaltet und welche Tools euch dabei behilflich sein können.
☝🏻 | Die Vorgehensweise
Dir ist wahrscheinlich schon mal aufgefallen, dass man neben Sparplänen für ETFs auch Sparpläne für Aktien einrichten kann. Da (Aktien-)ETFs ja streng genommen nichts anderes sind als ein Bündel an Aktien kann man sich seine eigenen “ETF” über solche Aktiensparpläne einrichten. Der Vorteil dabei ist, dass man dadurch theoretisch jeden bekannten ETF in einer Scharia-konformen Version nachbauen kann, in dem man sich einfach auf die Scharia-konformen Positionen begrenzt. Hierbei gibt es aber natürlich welche die weniger Sinn machen als andere. Ein ETF zur Finanzbranche dürfte wenige bis keine Scharia-konformen Positionen enthalten, sodass der Versuch diese Scharia-konform nachzubauen sehr vom eigentlichen ETF abweichen würde. Andere ETFs, so z. B. Technologie ETFs, eignen sich sehr gut, da man einen Großteil der Positionen auch in den eigenen Sparplan übernehmen kann.
Die einzelnen Positionen eines ETFs können bspw. auf der Produktseite des Emittenten eingesehen werden. Bei der Einrichtung der Sparpläne geht man diese kurz durch und pickt sich solche heraus, die die Kriterien der Scharia erfüllen. Der zusätzliche Vorteil an der Sache ist, dass man die Gewichtung der einzelnen Positionen selbst bestimmen kann. In den bekanntesten ETFs sind die nämlich nach der Höhe der Marktkapitalisierung gewichtet: Unternehmen mit einer höheren Marktkapitalisierung werden auch im ETF höher gewichtet. Bei den selbst eingerichteten Sparplänen hat man die freie Entscheidung, so z. B. auch die Gleichgewichtung. Einige erfolgreiche Investoren setzen nämlich auf solch eine gleichgewichtete Strategie, da sie der Meinung sind, dass Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung ein größeres Potenzial nach oben haben.
Für die Überprüfung der einzelnen Positionen kann man wieder auf die uns bekannte App Zoya setzen! Die App bietet darüber hinaus die Möglichkeit Aktien auf die Watchlist zu tun. Hat man alle Aktien in die man investiert mal auf die Watchlist getan, kann man innerhalb einer Sekunde die Nachprüfungen vollziehen. In der Watchlist werden nämlich nicht Scharia-konforme Aktien mit einem Ausrufezeichen versehen. Man kann also regelmäßig, bspw. monatlich, man die Watchlist runter scrollen und schauen, ob sich der Status einer Aktie verändert hat.
Hat sich der Status einer Aktie verändert, kann man die einzelne Aktienposition veräußern. (Wie mit den Gewinnen in der Zeit der nicht-Konformität umzugehen ist, behandeln wir demnächst allgemein in einem separaten Beitrag). Das ist wiederum ein weiterer Vorteil gegenüber das direkte Investment in ein ETF. Wenn sich der Status einer einzelnen Aktie in einem fertigen ETF verändert, müsste man nämlich den ganzen ETF abstoßen!
✋🏻 | Einschränkungen
Natürlich kann so eine Vorgehensweise nicht nur Vorteile mit sich bringen. Es gibt leider auch ein paar Einschränkungen die zu erwähnen sind:
Ein fertiger ETF ist bei den meisten Brokern schon ab wenigen Euros besparbar, so z. B. ab 1€, 10€ oder 25€. Mit so einem geringen Betrag hätte man also schon die Möglichkeit sich an vielen Unternehmen zu beteiligen. Natürlich liegt der Anteil an der jeweiligen Position i. d. R. dann weit unter 1€. Bei so einem manuellen ETF über Sparpläne muss man schon etwas mehr Geld in die Hand nehmen, da jeweils ein Sparplan pro Aktie eingestellt werden soll. Insbesondere ETFs mit einer extrem hohen Anzahl Positionen sind somit schwer nachbildbar. Ein MSCI ACWI mit mehreren tausend Positionen kann man also schwer nachbauen, dafür bräuchte man schon einiges an Sparbetrag. Indizes oder ETFs mit weniger Positionen lassen sich aber sehr gut abbilden. So wäre z.B. der TechDAX mit eigentlich 30 Positionen, wovon ca. 25 Scharia-konform sind, leichter besparbar. Wenn man gleichgewichtet 4€ pro Monat in die einzelnen Werte investiert bräuchte man ein Budget von nur 100€. In einem Jahr hätte man dann pro Aktie knapp 50€, in 10 Jahren knapp 500€ investiert. Da ETFs i. d. R. langfristig ausgelegt sind, sollte dies also weniger ein Problem darstellen.
Nicht jeder Broker eignet sich für diese Vorgehensweise gut an. Zum einen sollte darauf geachtet werden, dass Sparpläne gebührenfrei ausgeführt werden können. Auch eine minimale Gebühr würde bei den geringen Einzelbeträgen zu sehr in Last fallen. Zum anderen sollte man ggf. darauf achten, dass Sparpläne bereit ab einem sehr geringen Anlagebetrag möglich sind. Bei Trade Republic*, wo ich auch mein privates Hauptdepot habe, sind Sparpläne erst ab 10€ möglich. Die oben erwähnte Nachbildung des TechDAX wäre also mit einem Mindestbudget von monatlich 250€ erst realisierbar. Möchte man einen noch größeren Index bzw. ETF nachbauen, wird es umso schwieriger. Sinnvoller finde ich hier deshalb die Nutzung des Brokers Scalable Capital*, bei dem ich auch das Public Depot habe. Aktien-Sparpläne sind hier ebenfalls kostenlos, mit dem Unterschied, dass diese bereits monatlich 1€ Budget bespart werden können. Theoretisch könnte man sich also mit 100€ monatlich an 100 einzelnen Aktien beteiligen.
Neben den Kauforder-Gebühren kann man sich bei der Vorgehensweise über die Sparpläne auch den sog. Total Expense Ratio sparen. Die TER liegt bei vielen ETFs ca. zwischen 0,2 und 0,6% und wird täglich abgerechnet. Beim Verkauf ist man aber leider im Nachteil gegenüber einem fertigen ETF. Hat man über eine Zeit lang einen ETF bespart, kann man diese ganze Position mit einer Verkaufs-Order, somit auch nur mit nur einer einmaligen Gebühr veräußern. Diese liegt bei Scalable Capital* bei 0,99€. Bei der Vorgehensweise über die Sparpläne wäre diese Gebühr aber für jede Position einzeln fällig. Beim obigen TecDAX-Beispiel wären es somit 25×0,99€ = 24,75€. Deshalb machen die vielen Sparpläne auch erst wirklich Sinn, wenn man wirklich vor hat, diese auch mehrere Jahre laufen zu lassen. Hat man wenige Monate, so z.B. nur 6-Monate bespart, und die einzelnen Position sind gerade mal 4€x6 = 24€ groß, so macht die Verkaufsorder-Gebühr schon knapp 4% aus. In dieser Zeit müsste die Position erstmal diese Kosten rausholen. Hat man aber dagegen 5 Jahre lang die Sparplanäne laufen lassen und in die Positionen sind inzwischen 240€ geflossen, würde die Verkaufsgebühr nur noch 0,4% ausmachen. Die Rendite sollte im Idealfall deutlich ein Mehrfaches davon sein!
⏱ | Der Aufwand
Kommen wir nun zum zeitlichen Aufwand des Vorhabens, der aufzubringen ist, um das Ganze Scharia-konform abwickeln zu können. Der Aufwand zu Beginn dürfte sich in Grenzen halten: Man entscheidest sich für ein ETF, checkt die einzelnen Unternehmen in der Zoya App ab, packt sich diese für eine schnelle Nachprüfung in die Watchlist und richtig die Sparpläne ein. Sollte schnell erledigt sein.
Ein zusätzlicher Aufwand entsteht im Rahmen der Abführung unreiner Anteile. Je höher die Anzahl der Positionen, desto höher der Aufwand. Zum einen muss man sich entscheiden, ob man die genauen unreinen Anteile heranzieht, die man bspw. aus der Zoya App bekommt (siehe: Blog-Beitrag: Zoya-Nutzung optimieren) oder ob man einfach durchgehend den Maximalwert von 5% verwendet, mehr abführt und damit auf der sicheren Seite ist. Zum anderen müsste man für die Berechnung der unreinen Anteile die Umsätze der Unternehmen raussuchen, damit man den abzuführenden Betrag ermitteln kann. Ein weiteres Hindernis ist dabei, dass man wissen muss, wie viele Anteile des Unternehmens zu dessen Geschäftsjahresende sich in deinem Depot befand. Alles kein Hexenwerk, erfordert aber etwas Zeit. Die Dokumentation, bspw. über Excel, dürfte vieles erleichtern.
⚖️ | Praktisches Beispiel & Tool
Der Aufwand dürfte den ein oder anderen Neuling abschrecken. Aber um genau solche Sachen deutlicher zu machen und in der Praxis aufzeigen zu können, gibt es ja das Public Depot. Deshalb habe ich beschlossen dieses um ein weiters Teilportfolio mit einem monatlichen Budget von weiteren 100€ zu erweitern. Es soll an einem ETF die ganze Vorgehensweise verdeutlicht und zugleich die Wertentwicklung beobachtet werden.
Des Weiteren versuche ich ein Excel-Tool zu bauen, welches uns den Großteil der Arbeit abnimmt. Dieser soll im Idealfall automatisch meine Anteile über die Zeit berechnen und mir die abzuführenden Beträge zum jeweiligen Datum anzeigen. Das Tool stelle ich meinen Patrons dann auch für ihre eigenes Portflolio zur Verfügung. Im Idealfall gibt man neben dem Symbol der Aktie (bspw. für Apple: AAPL) und ein paar weitere Rahmenbedingungen an und alles wird automatisch berechnet. Ich gebe meins Bestes! 😉
🏁 | Fazit
Mit etwas Mühe hat man auch als Muslim die Möglichkeit auf viel mehr passive Anlagestrategien zu setzen als die ein paar vorhandenen ETFs. Man kann über Aktien-Sparpläne eine Art eigenen ETF für sich erstellen und diese einfach laufen lassen. Wie auch zuvor erläutert bietet sich hierfür insbesondere das Angebot von Scalable Capital* sehr gut an. Kauft man darüber hinaus noch weitere Einzelaktien, bspw. über Trade Republic*, macht die Trennung auch Sinn, um die Performance des selbst erstellten ETFs im einzelnen besser nachvollziehen zu können.
Die Einrichtung des Ganzen erfordert wenig Aufwand, die größte Schwierigkeit wird wahrscheinlich die Bestimmung der unreinen Anteile darstellen. Aber auch diese ist mit einer entsprechenden Dokumentation zu bewältigen. Wer sich das mal in der Praxis anschauen möchte, das Ganze über die Zeit verfolgen möchte, sowie demnächst inshaAllah das zu bauende Excel-Tool erhalten möchte, kann gerne mal auf Patreon vorbei kommen! Mit eurer Mitgliedschaft erhaltet ihr Zugriff auf weitere hilfreiche Inhalte aus der Praxis und unterstützt dabei die Arbeit unter halal-investieren.de als ganzes! 🥰
Wahrlich, Allah (swt.) weiß es am besten!