❓ | Dürfen wir Daytrading betreiben?
Wenn es um Daytrading geht, scheiden sich die Geister, sowohl aus rein rationeller als auch religiöser Sicht. Wenn der Tag lang ist hört man vieles, von „Trading ist kein Investment, da zu kurzfristig“, über „reine Spekulation“ bis „es kommt ja auf das Unternehmen an, ob es halal ist oder nicht“. Eine Begründung für die Aussage wird dabei i. d. R. nicht geliefert. Gehen wir zunächst kurz darauf ein was Daytrading überhaupt ist und schauen uns die Scharia-rechtliche Perspektive mit entsprechenden Verweisen genau an.
⏱ | Was ist Daytrading?
Trading bedeutet streng genommen Handel. Gemeint ist dabei oft der kurzfristige Handel von Wertpapieren, so z.B. auch Aktien. Je nach angestrebter Haltedauer des jeweiligen Wertpapiers gibt es auch verschiedene Bezeichnungen:
- Scalping: Kauf und Verkauf innerhalb einiger Sekunden bis Minuten
- Intraday-Trading: Kauf und Verkauf innerhalb eines Tages
- Swing-Trading: Kauf und Verkauf innerhalb einiger Tage bis Wochen
📦 | Welche Produkte werden gehandelt?
Beim Daytrading wird versucht von kurzfristigen Trends und Kursschwankungen zu profitieren. Insbesondere beim Scalping ist die Kursentwicklung zwischen Kauf und Verkauf extrem gering, weshalb viele Trader auf sog. “Hebelprodukte”, wie z.B. CFDs zurückgreifen. In diesem Zusammenhang ist es auch möglich von fallenden Kursen zu profitieren. Das ganze findet i.d. R. über verschiedene Wertpapiere auf Basis von Schuldverschreibungen statt, bspw. in Form von „short selling“. Beim short selling findet der Verkauf vor dem eigentlichen Kauf statt.
Vereinfacht kann man sich das so vorstellen: Der Trader geht von einem Kursrückgang aus und “leiht” sich Aktien (gegen eine Gebühr) aus, die er dann zu den aktuell hohen Preisen direkt verkauft. Sinkt der Kurs wie erwartet werden die Wertpapiere dann zu dem günstigeren Kurs gekauft und dem Verleiher zurückgegeben. Die Differenz ist somit der Gewinn des Traders. Oft kommt es erst gar nicht zum wirklichen Fluss der Wertpapiere und das Ganze wird wie eine Art Wette mit dem Broker abgewickelt.
Bei Hebelprodukten, wie CFDs, ist es auch möglich mit mehr Kapital zu traden als einem zur Verfügung steht. Bei einem 10er Hebel (10x) tradet man mit dem 10-fachen des eigenen Kapitals. Dies kann man sich so vorstellen, als würde man ein Darlehen beim Broker aufnehmen und mit diesem Kapital traden. Gebühren werden natürlich fällig. Die gehebelten Gewinne und Verluste stehen aber einem vollständig zu. So muss man auch die Verluste für das geliehene Geld tragen. Sinkt der Kurs bei unserem Beispiel um 10% erleidet man einen Totalverlust und man verliert das komplette eingesetzte Kapital. Bei einer Kurssteigerung von 10% würde man 10% * 10X = 100% Gewinn erwirtschaften. Dieser ganze Vorgang wird vereinfacht in CFDs zusammengefasst. Zum eigentlichen Kauf der Aktie kommt es auch hier nicht, quasi auch eine Wette mit dem Broker.
Wie es wahrscheinlich zu erwarten ist, sind solche Produkte, bei denen man entweder nicht im Besitz der eigentlichen Basisprodukte ist bzw. der Verkauf vor dem Kauf stattfindet, nicht Scharia-konform!
📈 | Kurzfristiger Handel: Ist das erlaubt?
Schauen wir uns aber nun den Fall an, bei dem eine tatsächliche Aktie und kein Hebelprodukt kurzfristig gehandelt wird. Grundsätzlich kann zu Beginn gesagt werden, dass es keine vorgegebene „Haltedauer“ gibt, die vor dem Verkauf einer Ware oder einer Aktie einzuhalten ist. In den AAOIFI Standards heißt es, dass der Kauf und Verkauf einer Aktie erlaubt ist, wenn sie die Scharia-Richtlinien erfüllt sind, sprich diese die Grenzen des Business und Financial Screening einhält, unabhängig davon, ob die Absicht des Anleger es ist zu „Investieren“, um bspw. von Dividenden zu partizipieren, oder zu „Handeln“, um von Kursunterschieden zu profitieren.
„3/2 It is permissible to buy and sell shares of corporations (…) if the activity of the corporation is permissible irrespective of its being an investment (that is, the share is acquired with the aim of profting from it) or dealing in it (that is, with the intention of benefting from the difference in prices).“
[AAOIFI: SS (21) Financial Paper (Shares and Bonds) – Rules for Dealing in Shares, S. 562.]
Außerdem wird erwähnt, dass der Verkauf stattfinden darf, sobald die Inhaberrechte dem Anleger übertragen werden, unabhängig davon ob die Verrechnung stattgefunden hat oder nicht.
„3/7 It is permissible to the buyer of a share to undertake transactions in it by way of sale to another and the like after the completion of the formalities of the sale and the transfer of liability to him even though the final settlement in his favour has not been made.“
[AAOIFI: SS (21) Financial Paper (Shares and Bonds) – Rules for Dealing in Shares, S. 565.]
Die Inhaberrechte sollen dabei aber nicht auf den Anleger übergehen, sobald das im digitalen Depot eingebucht wurde. In einem Webinar von einem Islamic FinTech, bei dem Dr. Mohamed Ali Elgari Chariman ist, wurde übermittelt, dass die genaue Zeit des Übergangs des Inhaberrechts im Terms & Conditions des jeweiligen Brokers i. d. R. einsehbar ist. Man kann sich dabei auch an dem Erhalt der Abrechnung orientieren. Je nach Broker kann dies wenige Minuten bis einige Tage dauern. Erst nach Erhalt des Abrechnungsschreibens, den man meisten in der Postbox des Brokers findet, soll die Aktie wieder veräußert werden dürfen.
U. a. aus diesen Gründen ist der Verkauf vor dem Kauf, wie bspw. beim short selling nicht erlaubt. Hier werden die Inhaberrechte, wenn überhaupt, nicht vor dem Verkauf übertragen.
Es gilt generell im Handel (insbesondere von Waren) der Grundsatz „Verkaufe nicht was nicht in deinem Besitz ist“. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der Verkauf von Fischen, die noch im Meer schwimmen. Es besteht „Gharar“, evtl. können die Fisch gar nicht gefangen werden.
„Narrated Hakim b. Hizam: I asked Messenger of Allah ﷺ I said: ‚A man came to me asking to buy something that I did not have. Can I buy it from the market for him and then give it to him?‘ He said: Do not sell what is not with you.’“
[Jami` at-Tirmidhi, Vol. 3, Book of Business, Hadith 1232.]
Der Salam-Handel bzw. Salam-Verträge, die unter gewissen Voraussetzungen, den Verkauf vor dem Kauf erlauben, und somit bspw. Dropshipping ggf. ermöglichen, findet im Aktienhandel keine Anwendung!
„Ibn ‘Abbaas narrated that when the Prophet came to Madeenah, people were paying one, two and three years in advance for fruits, so he said: “Whoever makes a Salam sale, let him do that with a known specifed measure, a known speciged weight, and appoint a known specified period (of time).”
[Al-Bukhaari and Muslim]
Dies dürfte u. a. daran liegen, dass es sich bei Aktien nicht um Waren, sondern um Partnerschaften handelt. In den AAOIFI Standards heißt es:
„3/11 The contract of Salam is not permissible in shares.“
[AAOIFI: SS (21) Financial Paper (Shares and Bonds) – Rules for Dealing in Shares, S. 566.]
🏁 | Fazit
Für einen kurzfristigen Handel von Scharia-konformen Aktien spricht nichts gegen. Wichtig dabei ist es die tatsächlichen Aktien zu handeln und keine Hebelprodukte oder Ähnliches. Ansonsten gibt es keine Vorgaben bezüglich der Haltedauer.
Unabhängig von der Islam-konformität ist auch zu erwähnen, dass CFDs in den meisten Fällen zu Verlusten führen. So sind CFD-Broker dazu verpflichtet Angaben wie “80% der Anleger machen Verluste mit CFDs” zu machen. Lasst die Finger davon – weder halal, noch rentabel! 😉
Wahrlich, Allah (swt.) weiß es am besten!