❓ | Warum 30% im Financial Screening?

Bei der Prüfung von Aktien spielt die 30%-Grenze eine zentrale Rolle. Sowohl die verzinsten Darlehen, als auch die verzinsten Einlagen des Unternehmens dürfen im Verhältnis zur Marktkapitalisierung max. 30% betragen damit diese als Scharia-konform eingestuft werden können. Welche Gründe für solch eine Toleranz grundlegend herangezogen werden, wurden bereits mit entsprechenden Verweisen hier erläutert. In diesem Beitrag soll es um die Festlegung auf 30% gehen. Als Quelle dient hierfür die Ausarbeitung von Mufti Faraz Adam, der als Scharia-Berater bei Amanah Advisors tätig ist. Die Ausarbeitung kann hier eingesehen werden.

📚 | Kurzer Exkurs: Geschichte der Scharia-Kriterien

Die Erarbeitung von Standards für Islam-konforme Investments hat Ihren Ursprung in den 80er Jahren. Dementsprechend gibt es Einflüsse die aus Rahmenbedingungen der damaligen Zeiten stammen. Es werden deshalb eventuell in Zukunft Anpassungen von Nöten sein. Darauf gehe ich im letzten Abschnitt “Ausblick” nochmal ein.

Das Islamic Banking steckt auch heute noch in Kinderschuhen. Während die ersten Arbeitsgruppen mit Gelehrten zur Lösung des Investment-Problems für Muslime gegründet wurden war die Präsenz des Islamic Bankings noch geringer. Selbst islamische Bankkonten für Privatpersonen gab es quasi gar nicht. Der Kapitalmarkt wurde durch Nicht-Muslime dominiert. Auch wenn sich die Situation zum Positiven entwickelt, ist dies auch heute weiterhin der Fall. Auch aus Gründen, auf die hier genauer eingegangen wurde, galt es den Aktienmarkt auch für Muslime zugänglich zu machen. Sheikh Nizam Mohammad Yaquby, der die Fatwa für den “Dow Jones Islamic Market Index” im Jahre 1998 ausgegeben hat und heute im Scharia-Board der AAOIFI sitzt, berichtet, dass die Nachfrage nach individuellen Aktienprüfungen nicht zu stemmen waren. Deshalb galt es standardisierte Regeln aufzustellen nach denen Aktien identifiziert werden können, die einen akzeptablen Umfang der Scharia-Prinzipien erfüllen.

⚖️ | Wie kommt man auf 30%?

Wie inzwischen bekannt, einigten sich die Gelehrten darauf, dass die verzinsten Darlehen und Einlagen nicht die 30%-Grenze im Verhältnis zur Marktkapitalisierung des Unternehmens übersteigen dürfen. Es gibt auch Meinungen, die diese Grenze weiter unten bspw. bei 25% ansetzen.

Die 30 % ergaben sich aus der Frage, welche Höhe aufgrund der Notwendigkeit übersehen und als maximales Engagement für Riba (Zins) bei Investitionen angesehen werden kann. Die Notwendigkeit in diesem Fall bedeutete, dass es quasi unmöglich war, ein gewisses Maß an unrechtmässigem Gewinn auf den Finanzmärkten zu vermeiden. Auf weitere Gründe für die Notwendigkeit wird hier eingegangen. Die Abführung solcher Zinseinnahmen, über die der Anleger keine Kontrolle hat, – sprich die Einnahmenreinigung – gilt aber als verpflichtend.

Die Gelehrten suchten in der Scharia nach einem Indikator, um zwischen übermäßiger und geringer Exposition in Szenarien zu unterscheiden, in denen die Exposition außerhalb der eigenen Kontrolle und Macht liegt. Letztendlich wurde folgende Überlieferung für die Feststellung dieser Grenze herangezogen:

Sa’d said: “I was stricken by an ailment that led me to the verge of death. The Prophet came to pay me a visit. I said, ‘O Allah’s Apostle! I have much property and no heir except my single daughter. Shall I give two-thirds of my property in charity?’ He said, ‘No.’ I said, ‘Half of it?’ He said, ‘No.’ I said, ‘One-third of it?’ He said, ‘You may do so, though one-third is also excessive.” [Bukhari]

Basierend auf dem oben Gesagten waren die Gelehrten der Meinung, dass es in der Überlieferung einen Hinweis auf Übermaß gibt, daher wäre es vernünftiger, ein Drittel als Maßstab für Übermaß zu verwenden. Wenn wir das Drittel rationalisieren, ist es die Minderheit gegen die Mehrheit von zwei Dritteln. Bei einem Verstoß gegen ein Drittel wird die Zweidrittelmehrheit eliminiert. Ein Verhältnis von 2:1 macht die 2 dominant, wodurch die 1 unterlegen und schwächer wird. Obwohl 30 % kein Drittel sind, wurden 30 % als angemessener Standard mit knapp unter einem Drittel angesehen, um zu verhindern, dass die „Übertreibung“ zum Greifen nah ist. Die Mehrheit der Gelehrten hat diese Ansicht seitdem übernommen, und daher hat die Ansicht weiter an Stärke gewonnen und ist zum Standard geworden.

Die 30%-Grenze ist auch an vielen anderen Stellen der islamischen Rechtssprechung wiederzufinden. Imam al-Qarafi listet neun weitere Bereiche des Fiqh in der malikitischen Rechtsschule auf, die ein Drittel als Maßstab betrachten, darunter Urteile in Sachen: “Blutgeld” (Diya); Freistellung eines Drittels beim Verkauf einer unbekannten Menge an Nahrungsmitteln; Duldung von Mängeln eines Verkaufsartikels, wenn es weniger als ein Drittel ist; Streichen von einem Drittel des Kopfes bie der Gebetswaschung (Wudhu); und andere solche Probleme. So hat sich “ein Drittel” auch in anderen Bereichen der Rechtsprechung als Maßstab manifestiert, um auf Übermaß und Vollständigkeit anzuspielen.

🔭 | Ausblick

Wie bereits zuvor erwähnt wurde das Urteil unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen in den 80er und 90er Jahren ausgesprochen, die größtenteils auch noch heute gelten dürften. Dennoch ist es ggf. möglich und ggf. zu erwarten, dass die 30%-Grenze in Abhängigkeit von den sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst wird. Es ist durchaus denkbar, dass in (ferner) Zukunft solche Anlagen in Aktien nicht mehr erlaubt sein werden, falls es zu (ausreichenden) Möglichkeiten zur zinsfreien Finanzierung von Aktiengesellschaften und Verwahrung von Guthaben auf islamischen Konten u. Ä. kommt.

Wahrlich, Allah (swt.) weiß es am besten!