❓ | Türkische Aktien kaufen?
Schon des Öfteren kam in der Community die Frage auf, ob und wie man in Aktien von türkischen Unternehmen investieren könne. Auf den Social Media Kanälen von halal-investieren.de hatte ich bereits vor einiger Zeit zu diesem Thema einen kurzen Feed-Post mit entsprechenden Informationen veröffentlicht. Die dort erwähnten Möglichkeiten sollen in diesem Blog-Artikel einmal etwas weiter ausgeführt und weitere neue Erkenntnisse ergänz werden. An dieser Stelle geht auch ein großer Dank an Bünyamin abi aus unserer Community, der sich mit dem Thema in der Praxis etwas auseinander gesetzt hat und sich ein türkisches Depot eröffnet hat. Damit die ganze Community was davon hat haben wir uns mal zusammen gesetzt und ich habe mir zeigen lassen, wie das Ganze aussieht. Vielen lieben Dank nochmal! BarakAllahu feek! 🥰
Des Weiteren möchte ich zu Beginn auch den Hinweis geben, dass der Artikel hier nicht als Ermutigung zum Investieren in türkische Aktien verstanden werden soll. Diese sind nämlich i.d.R. weitaus mehreren Risiken ausgesetzt, als deutsche oder US-Unternehmen. Die Hochinflation, das extreme Wechselkursrisiko, die allgemeine Unsicherheit im Markt etc. führen dazu, dass Unternehmen vor großen Hürden stehen, obwohl die Geschäftsmodelle an sich gut sein können. Wer sich dennoch langfristig eine Verbesserung der Umstände verspricht, der erhält hier einen kurze Übersicht über den Zugang an den türkischen Aktienmarkt!
🤔 | Welche Möglichkeiten gibt es?
Der direkte Handel von türkischen Aktien ist an deutschen Börsen aktuell leider nicht möglich. Das war aber nicht immer so: Die Einführung der Quellensteuer für Wertpapiergewinne und die damit verbundene Pflicht zur Beantragung einer türkischen Steueridentifikationsnummer führte dazu, dass die Handelsabwicklung kompliziert wurde und türkische Aktien an deutschen Börsen nicht mehr handelbar wurden. Tatsächlich wurde diese Quellensteuer aber wieder abgeschafft. Eine Wiedereinführung von türkischen Aktien an deutschen Börsen erfolgte daraufhin aber leider nicht. Damit bleiben die im Feed-Post bereits angerissenen beiden Möglichkeiten bestehen:
1. Handel über ADRs
2. Handel direkt in der Türkei an der Istanbuler Börse über eine türkische Bank/ Broker
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Im Gegensatz zu damals kommunizierten Vorgehensweise ist im letzteren Fall aber keine Steuer-ID mehr notwendig. Mehr dazu in den weiteren Abschnitten.
🗃 | Der Handel über ADRs
Die “einfachere” Vorgehensweise beim Anlegen in türkische Unternehmen wäre dies über sog. American Depository Receipts (ADR) zu tun. Kurz gefasst handelt es sich bei diesen, um das Listing von ausländischen Unternehmen an US-Börsen über einen Umweg. Eine Bank hält dabei die eigentlichen Aktien des Unternehmens und dafür Zertifikate zum Handel an der Börse aus. Von der Logik her kann man sich das wie bei einem ETF vorstellen, bei dem man einen Pool an Aktien über ein einziges Wertpapier handeln kann. Unterschied bei den ADRs ist, dass diesen jeweils nur die Aktien eines einzelnen Unternehmens zugrunde liegen. ADRs sind aber weiteren Risiken ausgesetzt als die tatsächlichen Aktien, so z.B. dem Ausfall, der Insolvenz der ADR ausgebenden Institution. Das sollte einem bewusst sein.
Außerdem wird nicht jede Aktie der Welt über ein ADR an US-Börsen gebracht. Da gibt es verschiedene Konstellationen, in denen das Unternehmen selbst oder eine Bank von sich aus das Ganze in die Wege leiten kann. Das führt an dieser Stelle aber zur weit. Weitere Informationen erhaltet ihr bspw. in diesem Wikipedia-Artikel.
Über das Listing an den US-Börsen sind diese Unternehmen dann auch in der Theorie an deutschen Börsen handelbar. So ist bspw. das ADR von Turkcell (aktuell nicht Scharia-konform) bei Trade Republic* oder das ADR von Turkish Airlines/ Turk Hava Yollari (Keine Information zur Scharia-konformität bei Zoya, ggf. selbst zu prüfen) bei Scalable Capital* handelbar! Es gibt aber weitaus mehr ADRs türkischer Unternehmen, die über einen direkten Zugang an US-Börsen gehandelt werden können. Mehr dazu habe ich bereits in diesem Beitrag erläutert!
🏛 | Der direkte Handel über die Istanbuler Börse?
Der Handel der tatsächlichen Aktien ohne den Umweg über die ADRs ist derzeit nur direkt über die Börse in der Türkei möglich. Die grobe Vorgehensweise sowie die Voraussetzung fasse ich euch einmal auf Basis unseres Austauschs mit Bünyamin Abi (😁) nachfolgend zusammen. Die mitgeteilten Erfahrungen basieren auf den Prozess der Ziraat Bankasi und können bei anderen Banken natürlich abweichen:
Für den Handel von türkischen Aktien über die Istanbuler Börse ist ein türkisches Depot, ein sog. “Yatirim Hesabi” notwendig. Die Eröffnung eines solchen Depots ist aber leider nicht für alle möglich. Dafür muss man nämlich entweder türkischer Staatsbürger sein und einen türkischen Ausweis haben oder im Besitz einer sog. “Mavi Kart” sein, welches unter gewissen Voraussetzungen (Zuvor türkischer Staatsbürger, türkische Eltern o.Ä.) ausgehändigt werden kann. Da ich weder türkischer Staatsbürger bin, noch eine Mavi Kart besitze (muss ich echt mal beantragen), konnte ich persönlich das Ganze in der Praxis nicht erproben.
Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht einem eigentlich nichts mehr im Wege. In unserem Fall wurde ein Girokonto (Banka Hesabi) in einer Bank Filiale eröffnet. Das Ganze erfolgte in einem spontanen Besuch während des Urlaubs und war laut Bünyamin Abi schnell erledigt. Dabei muss neben einer türkischen Adresse auch eine türkische Telefonnummer hinterlegt werden. Die Wohnadresse wurde nicht wirklich geprüft bzw. es war bekannt, dass es sich um einen “Ausländer” handelte. Angeben konnte man auch die Adresse eines Bekannten. Die Telefonnummer ist dagegen notwendig, um TAN-SMS zu erhalten. Die Änderung zu einer deutschen Mobilfunknummer, sollte laut Bankmitarbeiter nach Eröffnung des Girokontos am nächsten Tag möglich sein. Ein erneuter Besuch konnte aufgrund von Zeitmangel leider nicht stattfinden. Eine Möglichkeit im Mobile Banking haben wir nicht auffinden können. Schaltet man die türkische SIM-Karte aber auch für die Verwendung im Ausland ein (i. d. R. einfach über die App des jeweiligen Mobilfunkanbieters möglich), kann man die SMS auch aus Deutschland erhalten. TANs sind sowohl für die Anmeldung im Mobile bzw. Online Banking, sowie die Erteilung von Orders notwendig.
Alternativ dürfte auch die Eröffnung eines Girokontos in Zeiten der Digitalisierung über die App der jeweiligen Bank möglich sein. In diesem Fall wird aber eine Mavi Kart nicht ausreichend sein, da eine türkische Ausweisnr. (TC Kimlik No.) angefragt wird.
Wurde das Girokonto einmal eröffnet, kann im Mobile Banking ganz einfach per Klicks ein Depot angelegt werden. Im Girokonto kann man sich sowohl ein Lira, als auch ein Euro-Konto anlegen lassen, sodass man entweder am Schalter Geld einzahlen oder von einem deutschen Konto aus Geld auf diesen überweisen kann. Der Wechsel des Guthabens zwischen Euro und Lira ist dann über die App einfach möglich. Der Handel von Aktien erfolgt in Lira, sodass ihr überwiesen Euros ggf. zuvor in türkische Lira wechseln müsst. Wird eine im Depot eine Order aufgegeben und ausgeführt, so wird der zu zahlende Betrag durch das Lira-Konto gedeckt.
An dieser Stelle der Hinweis, dass eher der Weg über eine “islamische Bank” empfohlen sein würde. Die Ziraat Bank ist nämlich eine konventionelle Bank, die das übliche Einlagengeschäft durchführt. Die Eröffnung eines Girokontos wäre bei Vorhandensein islamischer Alternativen zumindest kritisch zu beachten, wenn nicht sogar unzulässig. Das ging mir im spontanen Treffen mit Bünyamin Abi unter, deshalb an dieser Stelle auch der Hinweis für dich! 😉
Die Ziraat Bank hat bspw. mehrere Apps im Angebot, so z.B. für das Girokonto oder das Trading. Anbei bekommt ihr ein paar Screenshots zu sehen, denen ein Teil des Dienstleistungsangebots entnommen werden kann (leider auf türkisch). Neben Online Überweisungen und dem Handel bestehender Aktien, gibt es auch die Möglichkeit an IPOs (Börsengänge) teilzuhaben oder Fonds zu handeln.
Gebühren scheinen m. E. auch sehr fair zu sein. Konto- bzw. Depotführungskosten als solches gibt es keine. Auch die Gebühren für den Handel sind äußerst günstig und liegen in dem Fall bei ca. 0,2-0,5%. Abweichungen kann es in Zukunft oder bei anderen Anbietern natürlich geben.
Interessant ist auch, dass es in der Türkei Indizes wie den MSCI World Islamic gibt, die die Wertentwicklung von türkischen Scharia-konformen Unternehmen messen. Basierend auf diesen Indizes gibt es einige Fonds. Mehr dazu erfährt ihr (leider auf türkisch, ggf. übersetzen) hier. Im nachfolgenden Screenshot ist so z.B. die Produktseite des Fonds ZK30P zu sehen, welcher in 30 türkische Scharia-konforme Aktien investiert.
Anbei erhaltet ihr den Punkt abschließend nochmal ein paar Screenshots generell zur Darstellung von Seiten von Aktien, sowie den dafür bereitgestellten Informationen. Der erste Screenshot stammt dabei von der speziellen App fürs Trading (Ziraat Trader Mobil). Ganz gut finde ich, dass hier bereits die Informationen aus Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung übersichtlich dargestellt angezeigt werden. Notwendige Informationen für ein eigenes Scharia-Screening von Aktien stehen einem ggf. bereits darüber zur Verfügung!
🏁 | Fazit
Alles in allem haben wir in diesem Beitrag die Vorgehensweisen für den Handeln mit türkischen Aktien umrissen. Für alle, die die Zukunft in türkischen Unternehmen sehen und auf diese setzen wollen, sollte diese Anleitung je nach Bedarf die ersten Schritte dazu erleichtern. Der türkischen Sprache solltet ihr aber schon mächtig sein und die Bereitschaft zum Erlernen neuer bzw. den Übersetzungen bekannter Fachbegriffe mitbringen! 😉
Wahrlich, Allah (swt.) weiß es am besten!